Additive Fertigung bei Europipe: Ultraschall-Messtechnik in Rekordzeit
- Philipp Süß

- 22. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Okt.
2022, Energiekrise, Zeitdruck, Wettbewerb: Für eine neue Pipeline wurde eine spezielle Ultraschallprüfung gefordert – doch es gab noch keine passende Messtechnik. Gemeinsam mit Süß & friends entstand in nur zwei Wochen eine einsatzbereite Sondervorrichtung per 3D-Druck.

Wenn der Wettbewerb nicht wartet: Gemeinsam zur Prüfinnovation mit 3D-Druck
Europipe produziert seit über 100 Jahren in Mülheim an der Ruhr hochwertige Großrohre für den internationalen Pipelinebau. Ultraschallprüfungen gehören dabei längst zum etablierten Qualitätsstandard sowohl onshore als auch offshore. Doch 2022, auf dem Höhepunkt der Energiekrise, stellte ein potenzieller Großauftrag aus Brasilien das Unternehmen vor eine neue Herausforderung: Gefordert wurde eine besonders komplexe Prüfung nach einer neuen Norm, die so bislang noch nicht umgesetzt wurde.
Herausforderung: Neue Prüfnorm, kein Gerät, hoher Zeitdruck
Der Engpass lag nicht in der Fertigung selbst, sondern in der erweiterten Qualitätssicherung: Die Norm forderte, die Anschlussflächen der Rohre, also die späteren Schweißbereiche, bereits im Werk mit Ultraschall auf feinste Materialfehler zu prüfen. Für diese spezifische Anforderung existierte jedoch noch kein Prüfgerät.
Zusätzlich erschwerte die Tatsache, dass sich Rohrdurchmesser über lange Strecken hinweg ändern, die Umsetzung erheblich. Eine Lösung war gefragt, die sich flexibel an verschiedene Dimensionen anpassen ließ – unter enormem Zeitdruck, da ein asiatischer Wettbewerber ebenfalls um den Auftrag konkurrierte.
Die Idee: 3D-Druck als Entwicklungsturbo – und Endlösung
Das Team der mechanischen Instandhaltung hatte die entscheidende Idee: Statt auf aufwändige Sondermaschinen zu setzen, sollte die neue Prüfeinrichtung mithilfe additiver Fertigung entwickelt und realisiert werden. Schnell, iterativ und bedarfsgerecht. Ein interdisziplinäres Pionierteam wurde gebildet: Prüf- und Prozessspezialisten von Europipe, der langjährige Konstruktionspartner GroMa GmbH aus Dortmund und das Ingenieurbüro Süß & friends, das seine Expertise in Konstruktion und fertigungsgerechtem 3D-Druck einbrachte.

Lösung: Maßgeschneiderte Prüftechnik – konstruiert für den 3D-Druck
Die Lösung wurde in einem agilen Entwicklungsprozess gemeinsam erarbeitet mit kurzen Abstimmungswegen, schnellen Iterationen und direkter Rückkopplung aus der Praxis. Nach einer praxisnahen Einführung in Materialien, Verfahren und Konstruktionsprinzipien wurde gemeinsam ein Konzept für die Prüfvorrichtung entwickelt. Die Wahl fiel auf ein kohlefaserverstärktes PA – robust, maßstabil und für industrielle Einsätze geeignet. Entstanden ist ein speziell entwickelter 3D-gedruckter Schlitten mit drei flexibel einstellbaren Ultraschallsensoren. Dieser wird über eine Verfahreinheit automatisch ins Rohrinner eingefahren. Eine technische Besonderheit: Durch integrierte Kanäle innerhalb der 3D-Druckteile wird Wasser als Koppelmedium exakt in den Prüfbereich geleitet, ein zentraler Faktor für zuverlässige Ergebnisse. Die zweite Innovation: Wechselbare Kontaktstücke für unterschiedliche Rohrdurchmesser, die je nach Bedarf in kürzester Zeit nachgedruckt werden können.

Ergebnis: Serienreife Prüfeinrichtung in zwei Wochen voll im Einsatz
Der 3D-Druck kam dabei nicht nur in der Entwicklung zum Einsatz, sondern wurde gezielt genutzt, um die final eingesetzte Prüfvorrichtung vollständig zu fertigen. Anpassungen aus den ersten Tests konnten über Nacht umgesetzt und am nächsten Tag direkt erprobt werden. Innerhalb von nur zwei Wochen war die komplette Messeinheit erprobt, robust und praxistauglich – rechtzeitig, um den Auftrag vor dem Wettbewerb zu sichern.

Fazit: Additive Fertigung als Innovationstreiber
Das Projekt zeigt eindrucksvoll, wie additive Fertigung weit über die Prototypenphase hinausgeht: Sie wird zur echten Produktionslösung – besonders dort, wo Innovation, Geschwindigkeit und Flexibilität gefragt sind. Europipe konnte so seine technologische Führungsrolle unterstreichen und ein anspruchsvolles Prüfverfahren in Rekordzeit realisieren.
"Wir hatten eine anspruchsvolle Aufgabe unter extremem Zeitdruck – und mussten Neuland betreten. Die Konstruktion sowie Süß & friends hat uns nicht nur das nötige Know-how zur additiven Fertigung vermittelt, sondern auch mitgedacht, mitkonstruiert und mitangepackt. Ohne diese Zusammenarbeit wäre die Umsetzung in diesem Tempo nicht möglich gewesen." Holger Zeitz Mechanische Instandhaltung — Europipe GmbH




