Additive Fertigung wirtschaftlich nutzen: Wie durch die Erweiterung des Problemraums neue Wertschöpfungsvektoren erschlossen werden
- Philipp Süß
- 16. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Die additive Fertigung bietet zahlreiche technologische Potenziale – von Funktionsintegration über Variantenvielfalt bis hin zu digitalen Ersatzteilen. Doch wirtschaftlich nutzbar werden diese Wertschöpfungsvektoren nur, wenn Unternehmen ihren Problemraum methodisch erweitern. Der Artikel zeigt, wie ein gezielter Perspektivwechsel wirtschaftliche Wirkung erschließt.

Warum additive Fertigung oft scheitert – und wie ein größerer Problemraum zum wirtschaftlichen Erfolg führt
Additive Fertigung gilt als Schlüsseltechnologie – und bleibt dennoch in vielen Unternehmen wirtschaftlich hinter den Erwartungen zurück. Der Grund liegt nicht in der Technologie selbst, sondern im Umgang mit ihr: Der Lösungsraum ist größer als je zuvor, doch der Problemraum bleibt meist konventionell.
Was bedeutet das?
Additive Fertigung bringt spezifische technische Eigenschaften mit, die neue Wege der Wertschöpfung eröffnen. Diese lassen sich als Wertschöpfungsvektoren beschreiben – technologische Hebel, mit denen Unternehmen theoretisch ganz neue Lösungen entwickeln könnten:
Wertschöpfungsvektoren der additiven Fertigung
Reduzierung der Bauteilanzahl
Funktionsintegration
Geringerer Materialeinsatz
Individualisierung bis Losgröße 1
Kurze Reproduktionszeiten
Simulations- und topologieoptimierte Designs
Wegfall von Werkzeug- und Montagekosten
Einzelteil- und Kleinserienfertigung
Digitale Ersatzteile und dezentrale Produktion
Der oft beschworene „Freedom of Design“ ist jedoch kein Freifahrtschein – auch der Lösungsraum der additiven Fertigung hat Grenzen. Diese Begrenzungsfaktoren bestimmen, wie weit sich die Potenziale in der Praxis tatsächlich ausnutzen lassen:
Begrenzungsfaktoren der additiven Fertigung
Sie schränken den Lösungsraum (noch) ein
Begrenzte Materialauswahl
Nachbearbeitungsaufwand und Oberflächenqualität
Bauraumgrößen und Bauteilorientierung
Prozessstabilität und Wiederholgenauigkeit
Stützstrukturanforderungen
Normen und Zulassungen
Investitions- und Qualifizierungskosten
Begrenzte Skalierung je nach Verfahren
Wichtig dabei: Der Lösungsraum ist theoretisch enorm – und er wächst weiter: Durch neue Materialien, automatisierte Nachbearbeitung, Prozessüberwachung und fortschrittliche Simulationen wird er von Forschungseinrichtungen, Maschinenbauern und innovativen Anwendern kontinuierlich erweitert.
Doch während viel Energie in die technologische Erweiterung des Lösungsraums fließt, bleibt der Problemraum methodisch oft vernachlässigt.
Zoom Out – ein gezielter Perspektivwechsel, der den Problemraum der additiven Fertigung systematisch erweitert
Statt nur das Bauteil zu betrachten, richtet sich der Blick auf das größere System: Welche Herausforderungen entstehen heute in Montage, Service, Variantenmanagement oder Ersatzteillogistik? Und ganz zentral:
Welche Probleme werden bislang gar nicht technisch gelöst – sondern durch organisatorische Workarounds, Zusatzaufwand oder Kompromisse?
Zoom Out heißt, diesen Raum sichtbar zu machen: durch gute Fragen, aktives Zuhören und den Mut, festgefahrene Annahmen infrage zu stellen. Erst wenn diese Perspektive eingenommen wird, können die technologischen Potenziale der additiven Fertigung wirtschaftlich wirksam werden.
Fazit
Der größte Hebel in der additiven Fertigung liegt nicht in der Technologie – sondern in der Art, wie wir Probleme verstehen. Wer den Problemraum nicht öffnet, wird mit hohen Stückkosten und enttäuschten Erwartungen leben müssen. Wer ihn hingegen gezielt erweitert, erschließt ein Spielfeld für Lösungen, die konventionell nicht möglich wären.
Additive Fertigung entfaltet ihr Potenzial nicht durch Technologieeinsatz – sondern durch ein neues Denken in der Produktentwicklung.
Comments